Diersheim, ein römerzeitliches Gräberfeld
Die Gräber von Diersheim
Eine Multimedia-Reportage von Sonja Seidel
Fotos/Video: Jürgen Gocke
Ein Gräberfeld der frühen Kaiserzeit bei Diersheim
Seit den 1930er Jahren sind römische Gräberfelder des 1. bis 3. Jahrhunderts nach Christus aus Diersheim bekannt. Sogenannte Oberrheingermanen legten die Gräber an. Ihre Siedlungen sind der Archäologie bisher nicht bekannt.
Vor kurzem geriet Diersheim erneut in den Fokus der Denkmalpflege: Der ehrenamtliche Mitarbeiter Andreas Karcher meldete aus dem Gewann „Fachheu“ zahlreiche Gewandspangen (Fibeln) und Bruchstücke von Bronzegefäßen, die er knapp unter der Ackeroberfläche gefunden hatte. Die Wissenschaftler*innen befürchteten, dass das neu entdeckte Gräberfeld schon weitestgehend zerstört sei und reagierten schnell mit einer Rettungsgrabung. In den Jahren 2015/16 legte die Archäologische Denkmalpflege in Kooperation mit der Abteilung für Provinzialrömische Archäologie der Universität Freiburg einen Teil des Gräberfeldes frei.
Die Grabungsflächen 2016 in Diersheim, Gewann Fachheu.
Quelle: J. Schrempp nach J. Lauber 2015
Zum Schluss ein Tropfen Pech
Erste Suchschnitte schienen die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Viele der Gräber waren tatsächlich vom Pflug zerstört. Beim vorsichtigen Erdabtrag per Hand kamen bisher jedoch 17 vollständige Urnengräber zu Tage. Jedes wurde im Block geborgen und im Provinzialrömischen Institut untersucht. Dabei fielen erstaunlich viele Waffen in den Gräbern auf.
Der Bestattungsvorgang ließ sich anhand eines Grabes durch die sorgfältige Grabungsdokumentation vor Ort besonders gut nachvollziehen: Nach dem Verbrennen des Leichnams füllten die Menschen den aufgesammelten Leichenbrand in die Urne und legten die großen Teile des Schädels darüber. Zum Abschluss tropften sie Pech mittig hinein und verschlossen die Urne mit einem Teller. Nach dem Aushub der Grube stellten sie die Urne hinein und füllten das Grab bis zur Hälfte mit Erde. Erst dann legten sie die Beigaben dazu: Keramikbecher, Lanzenspitzen, Scheren, Schleifsteine, Messer und Bruchstücke von Bronzegefäßen. Manche Metallgegenstände bekam der Verstorbene bereits mit auf den Scheiterhaufen, das zeigen die deutlichen Brandspuren. Einige der Lanzenspitzen waren stark erhitzt und zusammengefaltet worden. Die Gegenstände aus Metall sammelten die Hinterbliebenen ein und umwickelten sie mit Stoff. Eine bronzene Gewandspange (Fibel) hielt das Bündel im Grab zusammen. Zum Schluss schütteten sie das Grab vollständig mit Erde zu.
Die Grabungsmitarbeiterinnen beim Freilegen eines Urnengrabes.
Quelle: J. Schrempp
Verbündete zum Grenzschutz
Welche Menschen fanden in Diersheim ihre letzte Ruhe? Die Waffenbeigaben und der Brauch, Pech in die Urne zu tropfen, machen den Bezug zum elbgermanischen Raum in Mittel- und Ostdeutschland beziehungsweise zum böhmischen Raum deutlich. Die Keramik- und Metallgefäße verweisen auf den gallo-römischen Raum. Bei den Bestatteten und ihren Angehörigen könnte es sich also um Waffen tragende Germanen handeln, die eine gallo- römische Lebensweise angenommen hatten. Nach einem Inschriftenstein aus Offenburg nannten sie sich selbst „Suebi“. Wahrscheinlich siedelte Kaiser Tiberius sie um 17 nach Christus als Verbündete (foederati) in der Region um Diersheim zur Verteidigung der Rheingrenze an. Handelte es sich um eine gezielte Anwerbung? Wurden die Germanen gezwungen in das nahezu unbewohnte Oberrheingebiet umzusiedeln? Wir wissen es noch nicht.